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„A Kidnapping in Milan“ – ein Politthriller über eine internationale CIA-Entführung

Eine Rezension von Dr. Burkhard Luber



Steve Hendricks:

A Kidnapping in Milan – The CIA on Trial.

W. W. Norton, New York.

Oktober 2010. 317 Seiten. 33,- €



Dass der CIA eine nicht gerade transparente Organisation ist, ist ein Allgemeinplatz. Dass er aber nicht nur spioniert, sondern auch Leute entführt, verschleppt, misshandelt und anderen Ländern zur Folter überstellt, ist wirklich krass. Sicher gibt es da viele Fälle, die die Öffentlichkeit gar nicht mitbekommt, weil der „Koalition der Willigen“ eben im weltweiten sogenannten „Krieg gegen den Terror“ jedes Mittel recht war. Right or wrong – my country!

So ist besonders beeindruckend, wenn ein Staatsanwalt in Milano einen CIA-Entführungsfall zu seiner höchstpersönlichen Chefsache macht und in einem jahrelangen zähen Ermittlungsverfahren nicht lockerlässt, bis die Beteiligten über 20 CIA-Leute zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt werden – natürlich in deren Abwesenheit.


Und es ist das Verdienst des investigativen Journalisten Steve Hendricks, diese Fallstudie von dreister Illegalität des CIA und seinem mutigen Justiz-Gegner in einem Buch einem breiteren Publikum zu präsentieren.


Um was geht es? Am 13. Februar 2003 wird der ägyptische Bürger Abu Omar, ein islamischer Geistlicher, der in Italien politisches Asyl besaß, mittags auf offener Straße von CIA-Agenten in Mailand gekidnappt, gewaltsam in einem Auto von Mailand auf die US Air Base Aviano und von dort zur US Air Force Base Ramstein gebracht. In Ramstein wird er in ein anderes Flugzeug verschleppt, das ihn zum Zwecke der Folterung nach Kairo bringt.


Diese Story mit vielen spannenden Details präsentiert Hendricks in einem atemberaubenden Politthriller. Der Autor hat dabei die große Begabung, investigativen Recherchescharfsinn mit Details zur italienischen Architektur, liebevolle Porträtstudien, den Roamingtechniken unserer Mobiltelefone und die Zuständigkeiten im italienischen Strafrechtsbehörden zu verbinden (ohne aber je den Plot dabei aus den Augen zu verlieren), so dass die/der Leser*in oft nicht weiß: Ist das eigentlich ein fiktiver Krimi oder atemberaubende politische Realität des 21. Jahrhundert? Unter anderem erleben wir einen italienischen Staatsanwalt, der alle Mobiltelefongespräche des 13. Februar 2003 in Mailand ausfindig machen lässt und sie mit zehntausenden Punkten auf einem überdimensionierten Stadtplan kennzeichnet, um dadurch die Telefonverbindungen der CIA-Entführer zu ermitteln.


Am Ende der fesselnden Lektüre bleiben der/dem Leser*in an zwei Figuren haften: Ein Staatsanwalt, der nur mit Leibwächtern agieren kann, weil er sich einen Namen in der Verfolgung der Brigate Rosse und gegen die Mafia gemacht hat, der ausdrücklich an die hehren Normen der amerikanischen Verfassung glaubt und gerade deshalb mit unbarmherziger Strenge diese von der italienischen Regierung gedeckten Undercover Operation des CIA in Italia aufdeckt.


Und wir lernen einen jungen unerschrockenen investigativen US-Journalisten kennen, der sich nicht scheut, extra Italienisch zu lernen, sich lange Zeit zwecks Beweisaufnahme in Italien aufhält, nach Kairo fliegt um mit dem Opfer selber zu sprechen (dort beinahe verhaftet wird...) und der einfach nur von einem Ethos motiviert ist: The truth, the truth, nothing but the truth.


In Deutschland war Hendricks Publikation ein Anlass für den Rezensenten in Zusammenarbeit mit Politiker*innen die Transit-Umstände dieser Entführung auf der US Air Base Ramstein neu zu recherchieren, nachdem die deutsche Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren leider eingestellt hatte.

Wir danken Dr. Luber für die freundliche Freigabe!



 

Dr. Burkhard Luber studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie. Promoviert wurde er in Friedensforschung. Derzeit ist er Dozent für Internationale Politik, Redakteur der Zeitschrift „Das Milieu“ und Mitarbeiter beim Empowerment Programm von Wedu in Südostasien. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf internationalen Krisengebieten.

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