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Mehr Makrosteuerung

Ein Plädoyer für eine nachhaltige liberale Baupolitik

von Johannes Brill

Das Frühjahrsgutachten des Rates der Immobilienweisen gibt einen nüchternen Ausblick auf die deutsche Immobilienwirtschaft. Ende 2022 fehlten insgesamt 700.000 Wohnungen in Deutschland, die Nachfrage nach Wohnraum in den Städten steigt und Bauinvestitionen sind unattraktiv wie schon lange nicht mehr.


Zuzug und damit steigender Nachfragedruck

Das Wohnungsdefizit wurde im letzten Jahr durch ein starkes Bevölkerungswachstum und unattraktive Finanzierungsbedingungen für Bauprojekte verstärkt. Das starke Bevölkerungswachstum in Deutschland im vergangenen Jahr lässt sich vor allem auf den Zuzug aus dem Ausland zurückführen. Der russische Angriffskrieg hat dazu geführt, dass die Zahl der in Deutschland lebenden Ukrainer auf über eine Million angestiegen ist. Gleichzeitig trägt die Fluchtmigration aus Ländern des globalen Südens zu einem starken Bevölkerungswachstum bei.


Der Nachfragedruck nach Wohnraum in der Stadt steigt. Auch, wenn die deutschen Großstädte vermeintlich schrumpfen, steigt der Nachfragedruck nach Wohnen in deutschen Metropolen. Und dies geschieht nicht nur wegen der hohen Zuwanderung und der Rolle, die Städte als „Arrival Cities“ für Migranten spielen, sondern auch, weil die Menschen nach der Coronapandemie in die Stadt zurückkehren. Der Nachfragedruck erhöht die Mietpreise in den Städten. Der fehlende Stadtwohnraum kann schließlich zu einem Zusammenbruch der Stadtinfrastruktur führen. Dadurch, dass Berufsgruppen sich zentrale Wohngegenden schlicht weg nicht leisten können, weichen diese in das Stadtumfeld aus, oder ziehen in Regionen mit günstigerem Wohnraum. Im besten Fall ist die Folge des Wohnraumdefizits in deutschen Städten stärkerer Verkehr; im schlimmsten Fall ein Ausmaß an Fachkräftemangel, der die Versorgungsinfrastruktur zum Zusammenbrechen bringen kann. In Teilen der USA qualifizieren sich beispielsweise bereits Polizisten oder auch Stadtangestellte als Bewohner von staatlich subventioniertem sozialem Wohnraum, da sie sich sonst Wohnen in der Stadt nicht mehr leisten könnten.

Die Bauinvestitionen in Deutschland sind gleichzeitig so unattraktiv, wie schon lange nicht mehr. Durch die Zinswende der EZB ist das Geld nach über zehn Jahren Niedrigzinspolitik schlagartig teuer geworden – mit Konsequenzen für die Baufinanzierungen. Neben Privatperson ziehen sich angesichts einer sich ergebenden Lücke zwischen Kostenmieten und tatsächlichen Mieten auch zunehmend Projektentwickler aus dem Neubau zurück.


Der Mehltau der Bürokratie: Mikroregulierung im Bau

Deutschland kämpft seit langem mit komplizierten Planungs- und Genehmigungsverfahren, einer langsamen Ausweisung von Bauland und einer starken Mikrobauregulierung. Behörden dürfen sich beim Bau- und Planungsprozess bis in die letzte Ecke eines Gebäudes einmischen. Die staatliche Mikroregulierung erstickt Innovation und Kreativität beim Bauprozess im Keim. Neue Bau- und Wohnungskonzepte lassen sich nur schwer realisieren, wenn jeder neue Schritt durch die Einmischung eines Kommunalbeamten verlangsamt wird. Das Wohnungsdefizit gibt dennoch langfristige Perspektiven für den deutschen Bausektor. Um den „Bau-Turbo“ zu zünden, braucht es jetzt schnellere Plan- und Genehmigungsverfahren, eine schnellere Baulandausweisung und bundeseinheitliche Bauvorschriften. Kurz gesagt: Weg von einer innovationserstickenden Mikroregulierung hin zu einer innovationsfördernden Makrosteuerung.

Die Notwendigkeit dieses Wechsels könnte angesichts der Herausforderungen des Baugewerbes nicht größer sein. 40 Prozent des nationalen CO2-Verbrauchs entfällt auf die Immobilienwirtschaft. Über 50 Prozent des Mülls in Deutschland entfällt auf das Baugewerbe. Mit Blick auf die grüne Transformation der deutschen Volkswirtschaft könnten die Herausforderungen nicht größer sein. Die Integration von Kreislaufwirtschaft und der Weg zum nachhaltigen Bauen braucht Rahmenbedingungen, die den Erfindergeist in der deutschen Bauindustrie fördern.


Um die Herausforderungen der Immobilienwirtschaft zu bewältigen, braucht es eine liberale Baupolitik, die auf der einen Seite die Schäden schädlicher Bauweisen in die Kosten einpreist und gleichzeitig den Weg für innovatives nachhaltiges Bauen frei macht. Durch die CO2-Bepreisung von Heizstoffen wurde ein erster Anreiz zur Sanierung von Bestandsbauten geschaffen. Dieser sollte weiterverfolgt werden und durch KfW-Fördergelder unterstützt werden, da das Renovieren von Bestandsgebäuden weniger Energie benötigt als neu zu bauen. In Deutschland gibt es erste Ansätze zur Sanierung von Bestandsgebäuden. Das deutsche Start-Up Ecoworks dekarbonisiert beispielsweise Mehrfamilienhäuser durch modular vorgefertigte Wände, die die alten Wände des Gebäudes ersetzen. Solche Innovationen können dazu beitragen, den Weg für innovatives, nachhaltiges Bauen zu ebnen und den Gebäudebestand schnell und attraktiv klimaneutral zu gestalten.


Preisanreize und innovatives Bauen als Lösungsansatz


Auch wenn die Sanierung von Bestandsgebäuden ein wichtiger Hebel bei der Reduktion der in der Immobilienwirtschaft verbrauchten Emissionen ist, muss der Neubau nachhaltiger werden. Erst dann lassen sich die sozialen und ökologischen Herausforderungen der Immobilienwirtschaft bestreiten. Investoren brauchen, wie auch Bestandshalter, einen Preisanreiz, um nachhaltig zu bauen. Dieser Preisanreiz kann die Bepreisung des beim Bau verbrauchten CO2 sein. Wird ein solcher Preisanreiz mit Fördergeldern unterstützt, folgt eine Entwicklung in der rationalen Immobilienwirtschaft schnell. Ansätze für innovativeres Bauen mit Holz, Modulbau oder im „cradle to cradle“-Prinzip gibt es bereits, diese Ansätze müssen durch eine effektive Makrosteuerung nun den Weg zum Planungsprozess finden.

Die Bauwirtschaft wurde in der Vergangenheit politisch vor allem durch KfW-Fördergelder gesteuert. Darüber hinaus wurden wichtige Ansätze außer Acht gelassen. Jetzt ist es an der Zeit, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und nicht nachhaltiges Bauen mit marktwirtschaftlicher Klimapolitik zu bepreisen. Die sozialen und ökologischen Herausforderungen der Immobilienwirtschaft rufen nach einer liberalen Baupolitik.


 


Johannes Brill hat 2022 seinen Bachelor in Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen gemacht. Aktuell macht er seinen Master in Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen. Nebenbei arbeitet er als Werkstudent für ein deutsches Family Office im Bereich Real Estate. Im Jahr 2022 war er International Officer des Bundesverbandes Liberaler Hochschulgruppen.

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