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Auf die Barrikaden! Privatisiert die Straßen!

von Thurid Gebhardt

Die Diskussion ist heiß, das Thema omnipräsent: E-Fuels, Tempolimit und die nie endende Frage, ob Individualverkehr in unserer Gesellschaft überhaupt noch seinen Platz verdient hat. Autofreunden geben die letzten Berichte vom Koalitionsausschuss zwar Anlass zum Optimismus, doch trotzdem wurde ersichtlich, dass die Debatte in ihrer jetzigen Form nicht zielführend ist. Es braucht eine Lösung, die – denn das ist möglich – Klimaschutz und „Raserei“ endlich zusammenbringt. Und wie das meistens so ist, wenn der Staat solch eine Lösung nicht liefern kann, handelt es sich auch hier um einen klaren Fall von dringend benötigter Privatisierung.


Privatstraßen zum Klimaschutz?


Die Vorstellung der Privatisierung von Fortbewegungsmöglichkeiten mag zu Beginn ein wenig befremdlich wirken. Beispiele für die erfolgreiche Privatisierung einzelner Straßen gibt es jedoch bereits viele. in den USA, Italien, Frankreich – und auch in Deutschland. Teile der Autobahnen A1, A4 oder A9 werden privat betrieben, um nur einige wenige zu nennen. Und das fand bisher ohne Probleme statt. Die Privatisierung kleiner Straßen in Städten und Dörfern gestaltet sich allerdings prinzipiell schwieriger, da es zu Konflikten mit Anwohnern kommen kann. Daher ist es sinnvoll, sich bei der Betrachtung bestehender Straßen vorerst konzeptionell auf die Privatisierung von Schnellstraßen und Autobahnen zu konzentrieren.


Doch wie könnten uns mehr Privatstraßen nun dabei helfen, den Klimaschutz voranzutreiben? Ausschlaggebend ist, dass Privatpersonen oder private Unternehmen, die eine Straße betreiben, genau wie sonst auf dem Markt auch, an Gewinn interessiert wären. Die Instandhaltungskosten der Straßen, die Ausgaben für die Verwaltung und ein gewisser Anteil Profit, damit sich das Betreiben der Straße auch lohnt, würden direkt in den Preis für den Straßennutzer einfließen. Der Preismechanismus würde also deutlich besser greifen, als er es im aktuellen System tut, und Angebot sowie Nachfrage an Straßennutzung könnten sich frei einpendeln, was dem Klima zugutekommen dürfte.

Momentan kann dies nicht geschehen, da eine Umverteilung zugunsten des Automobilverkehrs stattfindet, für die sich keine Rechtfertigung finden lässt. Es zahlen lediglich die Autobesitzer und somit nicht einmal alle Autofahrer, eine nicht zweckgebundene Kfz-Steuer. Die Einnahmen dieser Steuer sind weder kostendeckend für staatliche Straßeninstandhaltung, staatliche Investitionen im Verkehrssektor und weitere anfallende Kosten, noch ist die Pauschalität der Steuer als sozial gerecht anzusehen. Wir sollten uns fragen, wieso beispielsweise eine ältere Dame, die in einer ländlichen Gegend ihren Wagen wöchentlich für ihre Einkäufe nutzt, genauso zahlen muss wie der Pendler, der jeden Tag mit 200 km/h über die Autobahn düst? Eindeutig sorgt letzterer für mehr Verschleiß der Straße und mehr CO2-Ausstoß. Während die entstehenden Kosten für den CO2-Ausstoß über die Tankpreise an den Verbraucher weitergegeben werden, ist das bei den hohen Kosten, die durch Straßenverschleiß anfallen, nicht der Fall. Dabei sollte es gerade bei dem Thema Automobilität um Verursachungsgerechtigkeit gehen, denn diese ist, anders als häufig behauptet, kein Grundrecht. Jeder sollte folglich nur den Betrag für seine Fortbewegung zahlen, der auch tatsächlich durch seine Fortbewegung entsteht.


Wem die bisherige Argumentation mit Gedanken an die Umwelt und weniger Kosten für Individuen zu „links-grün“ erscheint, den überzeugt vielleicht die Tatsache, dass sich auf Privatstraßen die Benzin-feuchtesten Träume ausleben ließen. Eine Straße ohne Tempolimit? Lohnt sich für Betreiber auf Pendlerstrecken, die von zahlungskräftigen Sportwagenbesitzern genutzt wird. Eine Trucker-Route ausschließlich für LKWs? Mit vielen Raststätten an der Seite und breiteren Spuren wirkt die lange Schicht gleich attraktiver. Selbst für Familien mit Kindern könnten Privatbetreiber die Strecken, die zu beliebten Urlaubszielen führen, mit einem generellen Tempolimit und ein paar Spielplätzen an Pausenorten versehen.


Doch auch ohne diese ersponnenen Sonderfälle wäre die Folge der Straßenprivatisierung im Allgemeinen ein flüssigerer Verkehr, nicht zuletzt durch einen wesentlich effizienteren Umgang mit Baustellen. Ebenso hätten die Straßenbetreiber ein großes Interesse an mehr digitalen Geschwindigkeitsanzeigen, die auf Grundlage von Echtzeitdaten-Analysen sinnvolle Tempolimits vorgeben könnten. Weniger Staus würden sich wiederum positiv auf den CO2-Ausstoß auswirken und Geld sparen: Schätzungen verschiedener Studien ergaben, dass in Deutschland Kosten zwischen 10 Milliarden und 120 Milliarden Euro pro Jahr durch allgemeine Staus verursacht wurden.


Ökologische, soziale und finanzielle Gründe für mehr private Mobilität lassen sich nicht nur wunderbar für den Straßen-, sondern auch für den Zugverkehr finden. „Deutsche Bahn privatisieren“ ist schon seit langem eine Forderung vieler Liberaler – und das nicht willkürlich. Zwar ist die Deutsche Bahn auf dem Papier ein privates Unternehmen, doch gehören dem Staat 100 Prozent der Unternehmensanteile und der mangelnde Wettbewerb, der aufgrund dieser staatlichen Monopolstellung existiert, führt zu Verspätungen, Ausfällen, überfüllten Zügen und einem rundum schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis. Niedrige Qualität, die viel kostet, ganz ohne Alternative, denn andere Züge gibt es nicht. FlixBus und FlixTrain haben zwar versucht der DB Konkurrenz zu machen, aber es kann kein fairer Wettbewerb entstehen, solange die Reaktion auf den ineffizienteren Betrieb der DB stärkere staatliche Subventionierung ist. Die Gefahr des marktwirtschaftlichen Scheiterns ist für Unternehmer doch häufig die größte Motivation, ihr Angebot zu verbessern. Davor muss die DB leider keine Angst haben.


Lernen von existierenden, funktionierenden Systeme


Es lassen sich allerdings auch zwei sehr interessante Argumente gegen Privatisierung im Verkehrssektor aufführen. Zum einen der potenziell entstehende Verwaltungsaufwand, der bereits stark kritisiert wurde in der Diskussion über das 49-Euro-Ticket. Zu viele unterschiedliche Tarifzonen seien kompliziert und unnötig. Die Zahl der Verkehrsverbünde jetzt durch Privatisierung in die Höhe steigen zu lassen und das nicht nur im Hinblick auf den Zug-, sondern auch auf den Straßenverkehr, würde einer bürokratischen Hölle gleichkommen. Richtig?

Um das zu beantworten, müssen wir Liberale uns eingestehen, dass die „Entbürokratisierung“, die das frühere 9-Euro-Ticket mit sich brachte, nicht so starke Auswirkungen hatte, wie wir predigten. Es war bereits vorher möglich, mit wenigen Klicks in der DB-App ein Ticket zu kaufen, mit dem man problemlos durch verschiedene Tarifzonen fahren konnte. Sicher ließe sich solch ein System in optimierter Version anwenden, auch für Privatstraßen. Eine App oder Website, in der man mit einem Aufwand von Minuten eine Fahrberechtigung für eine gewisse Strecke und eine gewisse Dauer kaufen kann, ist technisch absolut umsetzbar. Besagte Berechtigung ließe sich weitergehend mit dem eigenen Kennzeichen verbinden und für die digitale Kontrolle durch Kameras wären die Straßenbesitzer selbst verantwortlich. Ein ähnliches System wird bereits jetzt in einigen Ländern wie beispielsweise der Slowakei bei der Mautkontrolle verwendet.


Das schwerwiegendere Argument gegen Verkehrs-Privatisierung ist die Befürchtung, dass Straßen eine physisch begrenzte Ressource sind und damit Besitzer dieser Güter eine gewisse Monopolstellung innehaben könnten. Allerdings sollten wir aus liberaler Perspektive schon einmal grundsätzlich hinterfragen, ob ein privates Monopol problematischer wäre als ein staatliches und ob hier tatsächlich von Monopolen die Rede sein kann. Schließlich gibt es für viele Schnellstraßen und Autobahnen Alternativen und in keinem Fall besteht ein expliziter Zwang, eine Straße zu nutzen und mitzufinanzieren.


Vorteile für den ländlichen Raum


Des Weiteren bin ich überzeugt, dass weniger Regulierung beim Straßenbau, auch in Bezug auf kleine Straßen innerhalb von Ortschaften und Städten, das Monopolproblem generell minimieren und großen Fortschritt bringen könnte. Wenn ein privater Investor eine neue Straße bauen möchte, gibt es bei Berücksichtigung einiger Umweltschutz- und Sicherheitsauflagen keinen Grund, dies zu verwehren. Vor allem mit Blick auf den ländlichen Infrastrukturausbau erklingt häufig der Schrei nach mehr Geld, doch in der Privatwirtschaft ist Geld für Investitionen keine Mangelware. Es bestünde auch die Möglichkeit, dass sich ganz neue, auf die Situation vor Ort zugeschnittene Konzepte etablieren: Mehrere Privatpersonen könnten sich dafür entscheiden, gemeinsam Straßenbauprojekte zu starten oder Gewerkschaften könnten als Investor auftreten. Wie auch immer eine lohnenswerte und sinnvolle Umsetzung am Ende aussehen würde: Die Aufhebung von unnötiger Bürokratie und hürdenhaften Regulierungen könnte insbesondere auf dem Land zum massiven Straßenausbau führen, ohne dass der Steuerzahler einen Cent dafür zahlen müsste

Klingt alles fast zu schön, um machbar zu sein? Ich bin der Meinung, dass es die Aufgabe von uns Liberalen ist, große Visionen zu liefern und wirklich neu zu denken. Manche Probleme lassen sich durch Verhandlungen lösen, andere durch Innovation und für andere gibt es schon gute Überlegungen – man braucht nur Mut, sie umzusetzen. Sicher existiert in Deutschland noch kein bis ins letzte Detail durchdachtes Konzept für die Privatisierung aller Schnellstraßen, Autobahnen und des Zugverkehrs, aber es braucht unabhängig von Detailarbeit mehr Forderungen, die außerhalb unserer Komfortzone liegen. Die Privatisierung des Verkehrssektors ist solch eine Forderung. Meine Zukunftsvorstellung für das Verkehrsministerium ist, dass es viel weniger zu tun hat als jetzt: Damit würden wir unsere Geldbeutel, das Klima, den Spaß am Autofahren und sogar Volker Wissings Nerven retten.

 

Thurid Gebhardt, ist 20 Jahre alt und studiert im Bachelor Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie arbeitet nebenbei im Bereich Kommunikation bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut und engagiert sich bei den Jungen Liberalen als Leiterin vom Bundesarbeitskreis Offene Gesellschaft.

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