top of page

Zukunft liberaler Finanzpolitik

von Max Mordhorst



Für eine erfolgreiche Zukunft braucht es eine finanzpolitische Zeitenwende. Dabei müssen wir Liberale vor allem auf das vertrauen, was uns im Kern ausmacht und klar von anderen politischen Kräften unterscheidet: Wir stellen die individuelle Lebensleistung eines jeden Bürgers und einer jeden Bürgerin in den Mittelpunkt und bekennen uns klar zum Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft.

Dabei werden Liberale auch in Zukunft hart um Mehrheiten für ihre Position ringen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein politischer Kompass aus Chancengerechtigkeit, Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft in diesem Land wettbewerbsfähig ist. Das spiegelt sich auch in unseren Kernthemen wider: Beim Otto- und Dieselmotor, bei der Schuldenbremse und bei der Energieversorgung vertreten wir Mehrheitspositionen in der breiten Mitte der Gesellschaft. Für alle liberalen Stimmen bedeutet das vor allem: Auf Kurs bleiben und Gegenwind aushalten.


Seit der Bundestagswahl 2021 haben wir oft im Krisenmodus agiert. Wir mussten unter anderen umfassende Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg bringen, um mit der Abkehr von russischen Energieträgern nicht unsere wirtschaftliche Substanz zu gefährden. Es wäre allerdings ein Fehler, in dieser Symptombekämpfung zu verharren, denn viele Probleme liegen tiefer. Dass uns als Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine Deutschlands lang geduldete Energieabhängigkeit auf die Füße gefallen ist, mahnt uns auch zur Weitsicht in anderen Bereichen: Als Fortschrittsdenkerinnen und -denker müssen wir den Ausstieg aus dem Krisenmodus antreiben, indem wir die strukturellen Probleme in der Finanzpolitik klar benennen.


Deutschland ist zu langsam – Schaffen wir mehr Wachstum und einen attraktiven Standort


Eines dieser Probleme ist, dass wir insgesamt zu langsam sind – Innovationskraft und Wachstum schwächeln. Lange wurde sich vor allem darum gekümmert, wie unser Wohlstand zu verteilen ist. Nun müssen wir uns wieder zuvorderst der Frage widmen, wie dieser erwirtschaftet werden soll. Wenn wir den Standort Deutschland nicht attraktiver machen, werden uns dafür im globalen Wettbewerb die klugen Köpfe und das unternehmerische Kapital fehlen. Als Spitzenreiter bei Abgaben und Regulatorik sind wir international nicht mehr attraktiv für Fachkräfte und Unternehmen.

Mehr Wohlstand für alle erfordert somit auch eine Zeitenwende in der Steuerpolitik. Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist nicht nur ökonomisch angezeigt, sondern ein wichtiger Schritt für mehr finanzpolitische Glaubwürdigkeit. Ein zweiter Schritt ist der Einkommensteuertarif auf Rädern, der heimliche Steuererhöhungen durch die kalte Progression automatisch ausschließt. Geminderte Arbeitsanreize durch eine zu hohe Belastung der hart arbeitenden Mitte sind heute bereits Realität. Durch eine Abschmelzung des Mittelstandsbauchs können wir hier die dringend notwendigen Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen organisieren. Für hochqualifizierte Fachkräfte braucht es das klare Signal, dass die Politik auch in Zukunft nicht weiter an der Belastungsschraube drehen wird. Die Abgabe der Steuererklärung muss automatisch und volldigital möglich sein.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland verliert bei Unternehmen an Attraktivität. Eine wirksame Unternehmenssteuerreform, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen merklich stärkt, ist zwingend notwendig. Im Ergebnis wollen wir eine mit dem OECD-Durchschnitt vergleichbare Unternehmenssteuerbelastung von effektiv etwa 25 Prozent sicherstellen. Dabei dürfen wir perspektivisch nicht vor einer Abschaffung der international unüblichen und komplizierten Gewerbesteuer zurückschrecken. Besser wäre eine Kompensation durch kommunale Zusatzabgaben auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die globale Mindestbesteuerung schafft ein Level Playing Field, muss in Deutschland und Europa jedoch möglichst bürokratiearm umgesetzt werden.


Für die Transformation der Wirtschaft in Richtung Volldigitalisierung und Klimaneutralität sollten wir zudem auf steuerliche Investitions- und Forschungsförderung setzen. Im Sinne der Rechtsformneutralität ist vor diesem Hintergrund eine praxisorientierte Reform der Thesaurierungsbegünstigung angezeigt. Entgegen manchen Wahrnehmungen trägt nämlich nicht der Staat, sondern der Privatsektor den Großteil der Anpassungslast und Investitionen. Insbesondere Wachstumsunternehmen müssen wir hier den Freiraum für Innovation geben. Deutschland kann und sollte zukünftig führender Startup- und FinTech-Standort in Europa werden. Ein notwendiger Schritt dafür ist, dass die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz attraktiv aufgestellt werden.

Für eine solche Wachstumspolitik sind moderne und leistungsstarke Kapital- und Finanzmärkte unerlässlich. Die politische Aufgabe ist es, Rechtssicherheit und digitale Bürgerrechte zu gewährleisten, wie zum Beispiel beim Kleinanlegergeschäft und beim digitalen Euro. Ebenso müssen wir Bürokratielasten im Finanzsektor begrenzen – nicht durch völlige Deregulierung, sondern durch adäquate Regelungen zur Wahrung der Finanzstabilität. Die aktuellen Entwicklungen im Bankensektor zeigen uns, dass wir das Thema nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Beim finanziellen Verbraucherschutz sollten gerade Liberale auch in Zukunft auf Transparenz und den mündigen Bürger bzw. die mündige Bürgerin setzen.,


Deutschland lebt auf Kosten der jungen Generation – Setzen wir neue Prioritäten und machen unsere Rente zukunftsfest

Ein zweites strukturelles Problem ist, dass wir in Deutschland aktuell in mehreren Bereichen auf Kosten der nächsten Generation leben. Uns Liberalen war und ist Generationengerechtigkeit in der Finanzpolitik immer ein zentrales Anliegen; in Zukunft müssen wir dieses Thema vollumfänglich angehen. Dabei darf es weiterhin keinen Zweifel an der Solidität der Staatsfinanzen geben – ein Fokus auf die Schuldenbremse in Deutschland und wirkungsvolle Fiskalregeln in der EU bleiben daher unerlässlich. Obwohl der Staat Rekordeinnahmen zu verzeichnen hat, werden die Rufe nach neuen Ausgabenwünschen auch in Zukunft nicht abreißen.


Als Liberale wollen wir die Handlungsspielräume der kommenden Generationen erweitern. Mit der Einhaltung der Schuldenbremse verhindern wir einen Teufelskreis aus steigender Verschuldung mit immer höheren Zinskosten, die längerfristig entweder wachstumsschädliche Steuererhöhungen oder Kürzungen bei notwendigen Investitionen oder Sozialausgaben nach sich ziehen würden. Diese ökonomische Realität zwingt uns zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme: Wir müssen der kommenden Generation dieselben finanziellen Möglichkeiten zur Krisenbekämpfung zugestehen, wie der Bund sie in den vergangenen Jahren richtigerweise genutzt hat. Es ist daher ein Gebot der Fairness, den Haushalt zu konsolidieren und laufende Ausgaben nicht bereits heute auf zukünftige Steuerzahler abzuwälzen.


Zu einer ehrlichen Finanzpolitik gehört, dass wir neu über die Priorisierung von Staatsausgaben sprechen. Ohne Frage bleiben Zukunftsinvestitionen und unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit klare Schwerpunkte. Perspektivisch müssen wir aber der Gewährleistung staatlicher Kernaufgaben wieder eine höhere Priorität einräumen, sei es bei der Landes- und Bündnisverteidigung oder im Justizbereich. Als Liberale sollten wir aus Verantwortung nicht vor schwierigen Aufgaben zurückschrecken und beispielsweise Debatten über den Subventionsabbau oder eine Reform der Umsatzsteuersätze proaktiv führen. Zudem müssen wir die föderalen Finanzbeziehungen entlang der originären Zuständigkeiten neu ordnen. Während der Bund zur Krisenbekämpfung hohe Schulden aufgenommen und allein in 2023 fast 54 Milliarden Euro Finanztransfers an die Länder tätigt, verzeichnen die Länder insgesamt hohe Überschüsse. Diese Schieflage gilt es, nun zurückzufahren.

Wer für Generationengerechtigkeit streitet, der kommt nicht umhin, eine ersthafte Reform unserer Sozialversicherungen anzugehen. Insbesondere unser marodes Rentensystem ist inzwischen zu einem schweren Ballast geworden, den wir bei Zuspitzung der demografischen Entwicklung bald nicht mehr schultern können. Bereits heute bedarf es zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente über 100 Milliarden Euro jährlich an Steuerzuschüssen, die den Handlungsspielraum massiv einschränken – junge Menschen haben die Hoffnung an eine sichere Rente oft schon aufgegeben.


Die gesetzliche Rente muss daher in den nächsten 15 Jahren mit einem möglichst umfassenden Generationenkapital gestützt werden, welches durch Rentenbeiträge gestärkt wird und individuelle Anwartschaften ermöglicht. Schweden und der norwegische Staatsfonds machen es vor und erzielen jedes Jahr Milliarden an Rendite, die den Sozialsystemen zur Verfügung stehen. Wir können es uns nicht leisten, auf das reine Umlagesystem zu setzen; mit der Aktienrente werden keine Beiträge verzockt, sondern nachhaltig angelegt. Dass viele junge Menschen den Kapitalmarkt für sich entdecken, ist daher ein starkes Zeichen. Diese Aktienkultur gilt es für die private Altersvorsorge zu fördern, zum Beispiel durch eine weitere Anhebung des Sparerfreibetrags, bessere Verlustverrechnungsmöglichkeiten und eine Spekulationsfrist bei längeren Investments. Zudem ist die Einführung eines steuerlich attraktiven Altersvorsorge-Depots erstrebenswert. Es muss sich lohnen, wenn die Bürgerinnen und Bürger einen Teil ihres hart arbeitenden Geldes für das Alter zurücklegen.


Deutschland hat zu wenig Eigentümer – Ermöglichen wir den Traum vom Eigentum

Ein drittes Problem ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein vergleichsweise geringes Vermögen haben und nur wenige Immobilien besitzen oder auf rentable Anlageformen setzen. Dabei ist Privateigentum nicht nur Eckpfeiler unserer marktwirtschaftlichen Ordnung, es bedeutet für viele zunächst einmal persönliche Freiheit und die Übernahme von Verantwortung für sich und andere. Gleichzeitig sichert es die Handlungsfähigkeit von Haushalten in Krisenzeiten und entlastet so den Staat. Kurzum: Wir brauchen eine umfassende Eigentumsoffensive, die Deutschland wieder zu einer Eigentums- und Vermögensnation macht, den Traum vom Eigenheim ermöglicht und den Vermögensaufbau fürs Alter fördert.


Die oben genannten Vorhaben zum Einstieg in die Kapitaldeckung bei der gesetzlichen Rente und zur Stärkung der privaten Altersvorsorge wollen wir mit Nachdruck verfolgen. Und auch die bereits erwähnten Entlastungen beim Einkommen tragen ihren Teil dazu bei, dass mehr Netto vom Brutto für die eigene Vermögensbildung zur Verfügung steht. Bessere Rahmenbedingungen allein werden jedoch nicht reichen, um Eigentümernation zu werden, wenn große Teile der Bevölkerung mit ihrer persönlichen Finanzplanung überfordert sind oder aus Misstrauen vor Aktienmärkten zurückschrecken.

Finanzbildung ist Teil des sozialen Aufstiegsversprechens. Ein zentrales Projekt muss es sein, diese in der breiten Bevölkerung substanziell zu stärken. Künftig soll kein junger Mensch mehr die Schule verlassen, ohne zumindest das kleine Einmaleins persönlicher Finanzen zu beherrschen. Zudem braucht es für Jung und Alt neutrale, praxisnahe Weiterbildungsinitiativen. Wir müssen die Grundlagen dafür schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger als mündige Finanzmarktakteure agieren und eigenverantwortliche Anlageentscheidungen treffen können.

Darüber hinaus wird Vertrauen von staatlicher Seite auch dadurch geschaffen, dass Privateigentum der Bürgerinnen und Bürger geachtet und Planungssicherheit beim Vermögensaufbau garantiert wird. Den stetigen Forderungen nach schädlichen Vermögensabgaben und Vermögensteuern müssen wir weiterhin konsequent eine Absage erteilen. Bereits heute spüren die Bürgerinnen und Bürger die Probleme, wenn Steuern in die Substanz eingreifen – insbesondere beim persönlichen Traum vom Eigenheim. Dass dieser für große Bevölkerungsteile in immer weitere Ferne rückt, ist nicht nur eine Nebenwirkung staatlicher Bauregulatorik und Sanierungsauflagen. Für bestehende und angehende Eigenheimbesitzer müssen wir daher auch die steuerliche Belastung zurücknehmen, vor allem durch eine handhabbare Grundsteuer und eine Grunderwerbsteuer mit geeigneten Freibeträgen für die erste selbstgenutzte Immobilie. Abschließend braucht es bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Freibeträge auf Rädern, damit im Zeitverlauf nicht immer mehr des hart aufgebauten Vermögens wegbesteuert wird.

 

Max Mordhorst, Jahrgang 1996, ist geboren und aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Nach seinem Schulabschluss studierte er Jura an der CAU Kiel. Seit 2021 ist er Teil der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag und vertritt diese im Finanz- und Digitalausschuss. Zudem leitet er die Arbeitsgruppe Finanzen der Fraktion.

bottom of page